Was wir tun
KAIROS-Preis
Der KAIROS-Preis wird seit 2007 an europäische Künstler und Wissenschaftler aus den Bereichen bildende und darstellende Kunst, Musik, Architektur, Design, Film, Fotografie, Literatur und Publizistik verliehen. Ausgezeichnet werden sowohl künstlerische Individualleistungen als auch die Leistungen derer, die Kultur in Europa ermöglichen und ihr entscheidende Impulse geben: Produzenten, Intendanten, Verleger, Festivalleiter und andere Initiatoren.
Benannt nach dem Gott des „rechten Augenblicks“ der griechischen Mythologie, ist der Preis Anerkennung und Ermutigung zugleich: Er gilt Künstlern und Kulturermöglichern, die in ihren Feldern pionierhaft, avantgardistisch und wegweisend arbeiten und wirken, ohne den Zenit ihres Schaffens bereits erreicht zu haben.
Mit einer Preissumme von € 75.000 ist der Preis einer der höchstdotierten Kulturpreise in Europa. Seine Konzeption bündelt die zahlreichen früheren, über lange Jahre vergebenen, Kulturpreise der Stiftung und spiegelt zugleich die veränderten gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Bedingungen im heutigen Europa wider.
Über die Vergabe des Preises entscheidet ein unabhängiges Kuratorium. Eine Bewerbung ist nicht möglich.
KAIROS-Kuratorium seit Juli 2022
Zandile Darko, Schauspielerin, Theatermacherin, Choreographin
Dr. Christian Demand, Herausgeber der Zeitschrift MERKUR
Anja Fix, stellv. Leitung der ZDF-Hauptredaktion Kultur und Redaktionsleitung von 3sat-Kulturzeit
Dr. Lisa Kosok, ehem. Direktorin verschiedener Museen, Professorin für Kulturerbe und Museumswissenschaften i.R.
Freo Majer, Gründer und künstlerischer Leiter des Mentorship-Programms „Forecast“
Heike Catherina Mertens, Kulturmanagerin
Prof. Dr. Martin Zierold, Leiter des Instituts für Kultur- und Medienmanagement, Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Preisträgerin 2024: Salomé Jashi
Die georgische Dokumentarfilmerin Salomé Jashi, geboren 1981 in Tiflis, folgt mit ihrem Kameraauge den Absurditäten, Verwerfungen und Heucheleien im postsozialistischen Georgien. Mit großer Sensibilität und Ruhe gibt sie Menschen und Ereignissen in ihren Filmen Raum und lässt uns als Publikum die Zeit und gedankliche Freiheit, das gefilmte Geschehen zu interpretieren. Häufig nimmt Jashi die Relikte und leblosen Hüllen der Sowjet-Ära in den Blick, deren Machtrituale und leeren Versprechungen sie offenlegt. In ihren international anerkannten Dokumentarfilmen werden historische Narrative hinterfragt, ungehörte Stimmen hörbar und neue Perspektiven sichtbar gemacht. Den Protagonisten ihrer Filme folgt die Filmemacherin wach und voller Neugier, und so gelingt es ihr immer wieder, neue Ausblicke und überraschende Wendungen einzufangen. Sie schafft betörend starke, eindrucksvolle Bilder und hört genau hin, wenn Menschen sich äußern, wie sie auch Tieren und Landschaften geduldig lauscht.
Salomé Jashi studierte Dokumentarfilm an der Royal Holloway, University of London und ist Mitglied der Europäischen Filmakademie sowie Mitbegründerin und Vorsitzende der Documentary Association Georgia und produziert ihre Filme über Sakdoc Film. Ihr Film Taming the Garden feierte seine Premiere 2021 im Dokumentarfilm-Wettbewerb des Sundance Film Festivals sowie im Berlinale Forum und wurde für den Europäischen Filmpreis nominiert.
So mutig und politisch aufgeladen ihre Filme sind, sind sie immer auch humorvoll und ästhetisch wie erzählerisch ein Genuss. Ihre Arbeiten können vergnügen, aber es überrascht nicht, dass sie nicht jedem gefallen. In ihrer georgischen Heimat eckt sie regelmäßig an, da sie den Eitelkeiten der politisch Mächtigen mit unbestechlichem Blick und konsequentem Erzählen zu Leibe rückt. Salomé Jashi sagt und zeigt, was ist. „Mit Blick auf Europa und das Erstarken nationaler Interessen und Geschichtsvergessenheit zeichnet der KAIROS-Preis 2024 mit Salomé Jashi und ihrem Werk auch das respektvolle Erzählen und Anschauen der Geschichte(n) Anderer aus und das Aushalten widersprüchlicher Haltungen. Hier öffnet Kunst neue Welten, Räume für Begegnungen und baut Brücken, nicht zuletzt zwischen Ost und West.“ begründet das KAIROS-Kuratorium die Wahl der Preisträgerin.
Am 5. Mai wurde Salomé Jashi im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit dem KAIROS-Preis 2024 ausgezeichnet.
Beiträge KAIROS-Preisverleihung 2024
Bisherige Preisträger
- Preisträgerin 2023 - Alona Karavai
Die Kuratorin und Kulturmanagerin Alona Karavai hat in der Ukraine Veranstaltungsreihen, Bildungsprogramme und Residenzen mitinitiiert und zum Erfolg geführt, darunter die Kunsträume von Asortymentna Kimnata in Ivano-Frankivsk, die Künstlerresidenz Khata-Maysternya in den Karpaten oder das landesweit tätige Bildungsprogramm Insha Osvita. Auf diese Weise entstehen Kontakte und Netzwerke zwischen Menschen und Milieus, die einander sonst nie begegnen oder voneinander lernen würden.
Alona Karavai und ihre Organisationen stellen sich schützend vor Künstler wie Kunstwerke und stemmen sich gegen russische Versuche, eine eigenständige ukrainische Kultur auszulöschen: sie bieten rasch und unbürokratisch Unterschlupf, wenn Künstler fliehen müssen. Sie bringen bedrohte Kunstwerke in Sicherheit und lagern sie ein. Sie geben Kunst in Auftrag und öffnen ihre Räume für Ausstellungen und Performances. Sie bieten Künstlern Lebenswichtiges: arbeiten zu können, gesehen zu werden, einem Publikum zu begegnen.
Alona Karavai versteht sich nicht als Autorin oder Eigentümerin ihrer Projekte. Vielmehr liegt ihren Arbeiten stets ein kollektiver Vorgang tiefgreifender Verständigung zugrunde. Da sie auf partizipative Prozesse vertraut, werden kuratorische wie strukturelle Entscheidungen diskutiert und ausgehandelt. In diesem Sinne steht Alona Karavai für eine Generation heutiger Kulturermöglicherinnen, die uneitel, mit hoher Sensibilität und wachen Sinnen durch die Welt gehen, um relevante Fragen aufzuspüren und künstlerische Antworten auf diese zu finden.
Am 4. Juni 2023 wurde Alona Karavai im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit dem KAIROS-Preis 2023 ausgezeichnet.
- Preisträgerin 2020 - Agnes Meyer-Brandis
Agnes Meyer-Brandis ist eine ungewöhnliche Künstlerin, ihr Werk in jeder Hinsicht einzigartig. In ihren Installationen, Filmen und Performances verbindet sie humorvoll und poetisch Erkenntnisse und Methoden aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen mit spekulativen Theorien und fiktiven Erzählungen. Das 2003 gegründete Forschungsfloss - ein Institut für Kunst und subjektive Wissenschaft - stellt Fragen, ohne Antworten zu geben, und steht damit ganz in der Tradition der modernen Kunst. Klima- und Weltraumforschung, Meteorologie, synthetische Biologie, Botanik und Geologie sind nur einige der Wissenschaften, die in ihren Arbeiten vorkommen. Die Künstlerin fliegt Gänse zum Mond, lässt finnische Tannen Tee kochen oder ermöglicht es den Ausstellungsbesuchern, ein biochemisches Gespräch mit einem Baum zu führen.
Agnes Meyer-Brandis studierte an den Kunstakademien in Maastricht, Düsseldorf und Köln. Dort entstand im Jahr ihres Abschlusses ihre Arbeit „Bohrkernlabor und Elfen-Scan“, bei der mit einem Scanner Bohrkerne auf Elfen und andere mit bloßem Auge nicht sichtbare Lebensformen untersucht werden. Der subtile Einsatz von Interaktivität als Methode des Geschichtenerzählens zeichnete bereits diese frühe Arbeit aus - überhaupt ist sie eine exzellente Geschichtenerfinderin und Geschichtenerzählerin.
Ihr 2008 ins Leben gerufenes Mondgans-Projekt ist inspiriert von der fantastischen Erzählung „Der Mann im Mond“ von Frances Godwin aus dem 17. Jahrhundert, in der eine abenteuerliche Reise zum Mond in einem von Gänsen gezogenen Fahrzeug beschrieben wird. Agnes Meyer-Brandis hat diese Geschichte aktualisiert: Sie hat Mondgänse gezüchtet, ihnen Astronautennamen gegeben, sie zum Fliegen ausgebildet, Expeditionen unternommen und sie in einem dem Mond nachempfundenen Lebensraum untergebracht. Gerade weil Agnes Meyer-Brandis mit ihrer Arbeit weder politische noch didaktische Ansprüche erhebt, eröffnet sie ganz neue, andere Zugänge zu Natur und Wissenschaft und schärft so den Blick für Themen wie Klimawandel und Umweltschutz.
Die ursprünglich für April 2020 geplante Preisverleihung wurde auf den 17. Oktober 2021 in der Hamburger Kunsthalle verschoben.
- Preisträger 2019 - Nihad Kresevljakovic
KAIROS-Preisverleihung 2019
Nihad Kresevljakovic ist Programmdirektor des Internationalen Theaterfestivals MESS in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo. Das MESS wurde 1960 gegründet und zählt zu den etablierten und hochrespektierten Festivals in Südosteuropa. Während der vierjährigen opferreichen Belagerung der Stadt durch bosnisch-serbische Truppen war das Festival zur Pause gezwungen. Die damalige Theaterleitung organisierte jedoch als Akt des kulturellen Widerstands das erste Filmfestival in der belagerten Stadt und schuf damit den Vorgänger des heute bekannten Sarajevo Film Festivals.
Nach Kriegsende wurde das MESS durch junge Theatermacher übernommen, die mit Enthusiasmus und künstlerischer Qualität eine neue Generation von Besuchern gewinnen konnte, ohne das Stammpublikum zu verlieren. Die Geschichte dieses Festivals zeigt, dass Kunst gerade unter widrigsten Umständen Trost, Ermutigung und Sinn spenden und zu einem kulturellen wie auch realen Fluchtort avancieren kann.
Nihad Kresevljakovic studierte Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Sarajevo. Während des Bosnienkriegs dokumentierte er Ereignisse und das tägliche Leben unter der Belagerung seiner Heimatstadt mit der Kamera. Diese Aufnahmen resultierten in einer Video-Bibliothek, die über 1000 Stunden Filmmaterial enthält und schließlich zur Gründung der lokalen NGO Video-Archiv führte.
Nihad Kresevljakovic ist ein multitalentierter Kulturermöglicher, ein diplomatischer Netzwerker, ein Vorbild und Mentor für viele Kollegen. Der politischen und ökonomischen Tristesse in seiner Heimat begegnet er mit einer Mischung aus Idealismus, Beharrlichkeit und Pragmatismus. Mit ihm zeichnet das KAIROS-Preiskuratorium stellvertretend die vitale, aber völlig unterfinanzierte Kulturszene einer geschundenen Region aus, deren Akteure im westlichen Europa selten wahrgenommen und noch seltener gewürdigt werden.
Am 28. April wurde Nihad Kresevljakovic im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit dem KAIROS-Preis 2019 ausgezeichnet.
- Preisträger 2018 - Dr. Jan Gerchow
Preisverleihung 2018
Ein Stadtmuseum bietet Raum für Aufklärung und Verständigung über die gemeinsame Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Es ist ein Ort des Nachdenkens über Ruhm und Reue der Stadt, geeignet für die liebevolle Denkmalpflege wie auch für die produktive Zertrümmerung von Lokalmythen. Gemeinsam mit seinem Team hat Jan Gerchow das Historische Museum in Frankfurt am Main zu einem vitalen Ort für die Selbstverortung und Identitätsfindung der Frankfurter Stadtgesellschaft entwickelt.
Jan Gerchow, 1958 in Braunschweig geboren, studierte in Freiburg und Durham (Großbritannien) Geschichte, Germanistik und Philosophie. An der Universität Freiburg promovierte er 1984 zur frühmittelalterlichen Geschichte Englands. Über Zwischenstationen am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen und am Ruhrlandmuseum in Essen kam er 2005 als Direktor ans Historische Museum Frankfurt am Main. Dort ist er nicht nur für die üblichen Angebote und Funktionen eines großen Stadtmuseums verantwortlich – auch die Sanierung und der Neubau der Museumsgebäude sowie die Neukonzeption der Ausstellungen tragen seine Handschrift. Die aufwendig sanierten Altbauten wie die des „Saalhofs“ wurden 2012 eröffnet, die großen Neubauten im Oktober 2017. Eines der spektakulärsten Exponate ist eine überdimensionierte Schneekugel mit künstlerisch gestalteten Modellen zum Thema “Typisch Frankfurt“. Ein Blick in die Kugel gibt Antworten auf die Frage, wie Frankfurt zu dem wurde, was es ist und worin sich die Stadt von anderen unterscheidet.
„Europas Großstädte sind Experimentierfelder der Zukunft. In den Städten erweist sich, ob die europäische Matrix Einheit durch Vielfalt überlebensfähig ist und ob wir weiterhin einen unverzichtbaren Konsens bewahren können, wenn stürmische Veränderungen der wirtschaftlichen, sozialen, sprachlichen, kulturellen und religiösen Verhältnisse alles Gewohnte in Frage stellen und Gräben aufwerfen. Wenn die Stadt als Lebensmuster gelingt, dann gibt sie Antworten auf die destruktiven Tendenzen unserer Gegenwart, wie Fragmentierung, Entsolidarisierung, Nationalisierung und Atomisierung. Als Labore friedlicher Bewusstseinsbildung können moderne Stadtmuseen enorme Wirkungen erzielen. Jan Gerchow hat die besten Strategien punktgenau kombiniert und sein neues Haus umgestaltet zu einem beispielhaften Ort der Gemeinschaftsbildung.“, so die Begründung des Preiskuratoriums.
Jan Gerchow selbst ist davon überzeugt, dass „die Stadt das Einzige ist, was alle Menschen, die dort leben, miteinander gemein haben: Nicht die Herkunft, die Religion oder irgendeine nationale Identität, sondern die Stadt ist das, was sie miteinander teilen. Darüber ins Gespräch zu kommen, die Stadt zu erkunden, in der aktuellen die historische Dimension zu erforschen – das heißt, Stadtmuseum zu machen.“
Am 22. April wurde Jan Gerchow im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit dem KAIROS-Preis 2018 ausgezeichnet.
- Preisträgerinnen 2017 - Inci Bürhaniye & Selma Wels
Preisverleihung 2017
Was tun, wenn man Bücher junger türkischer Autoren lesen möchte, aber die Sprache nicht beherrscht? Bis zur Gründung des binooki Verlags blieb dem interessierten Leser nur die Möglichkeit, einen Türkischkurs zu belegen. Dank der beiden Schwestern Inci Bürhaniye und Selma Wels kann man die Werke nun auch auf Deutsch lesen. Als einziger Verlag widmet sich binooki dezidiert der Übersetzung türkischer Literatur ins Deutsche und leistet damit einen Beitrag zum – gerade aktuell – dringend nötigen Kulturaustausch. Für ihren unternehmerischen Mut, ihren Pioniergeist und ihre kulturelle Vermittlungsarbeit werden die Verlegerinnen mit dem KAIROS-Preis 2017 ausgezeichnet.
Inci Bürhaniye und Selma Wels gründeten 2011 in Berlin den binooki Verlag – aus Liebe zur türkischen Literatur und inspiriert durch ihre Mutter, die ihnen die Leidenschaft für das Lesen vermittelte. Vor dieser Gründung hatten beide Schwestern wenig Berührung mit dem Verlagswesen. Inci Bürhaniye studierte Jura und arbeitet noch heute als Fachanwältin für Gesellschafts-, Handels- und Steuerrecht mit einer eigenen Kanzlei in Berlin. Selma Wels studierte Betriebswirtschaftslehre und hat bis zur Gründung des Verlags selbstständig für die Filmbranche gearbeitet. Nun ist sie Geschäftsführerin des binooki Verlags und hat mittlerweile zwei literarische Werke aus dem Türkischen ins Deutsche übertragen.
Beiden war es von Anfang an wichtig, einer modernen urbanen türkischen Literatur eine deutsche Stimme zu geben, ohne dabei altbekannte Stereotype zu bedienen. Das Verlagsmotto „Achtung! Klischeefreie Zone“ ist deshalb nicht nur Behauptung, sondern ein Anspruch, dem die Verlegerinnen mit jeder Publikation gerecht werden wollen.
„Interkultureller Austausch beruht auf jener Vermittlungsarbeit, die durch den binooki Verlag auf großartige Weise geleistet wird. Zusätzliche Relevanz erhält diese Ambition angesichts der aktuell in der Türkei betriebenen Abgrenzung und Frontbildung gegenüber dem Westen und der abendländischen Kultur. Die beiden Verlegerinnen sind Brückenbauerinnen. Sie ermöglichen ein tieferes Verständnis für die türkische Kultur – und sie ebnen den Weg für ein Zusammengehörigkeitsgefühl, welches die politischen Grenzen der EU überschreitet und die Türkei als europäischen Staat ins Bewusstsein hebt. Nicht zuletzt bedeutet der Preis auch eine Anerkennung und Unterstützung für die türkischen Intellektuellen, Publizisten und Schriftsteller, die sich in einer Zeit der Repressalien und der persönlichen Gefährdung zu Wort melden.“ so die Begründung des Preiskuratoriums.
Am 7. Mai 2017 wurden Inci Bürhaniye und Selma Wels im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit dem KAIROS-Preis 2017 ausgezeichnet.
- Preisträger 2016 - Teodor Currentzis
KAIROS-Preisverleihung 2016 - Teodor Currentzis mit Laudator Peter Sellars
Das Preiskuratorium ehrt mit Teodor Currentzis nicht nur einen Ausnahmemusiker, sondern auch einen Künstler, der sich genreübergreifend und kompromisslos den Zwängen des modernen Musikbetriebs widersetzt. Der griechisch-russische Dirigent sorgt mit seinen radikalen Interpretationen weltweit für Aufsehen in der routinierten Klassikszene und agiert mit unverwechselbarem Stil, Hingabe und Mut zum künstlerischen Risiko.
Teodor Currentzis ist Musikdirektor des Opern- und Ballettheaters Perm in Russland sowie Leiter des preisgekrönten Orchesters MusicAeterna und des gleichnamigen Chors. Die Stadt Perm im Uralvorland ist die östlichste Stadt Europas und mehr als 1000 Kilometer von Moskau entfernt. Erbaut als Garnisionsstadt wurde sie während des zweiten Weltkrieges zu einem wichtigen Standort für die Rüstungsindustrie und war auch während der Sowjet-Zeit von der Außenwelt abgeschnitten. In der Nachkriegszeit existierte ein großes Gulag-Lager. Perm scheint zunächst kein naheliegender Ort für große Interpretationen von Mozart, Beethoven oder Rameau zu sein — dennoch sagt Currentzis in einem Interview mit der ZEIT „Ich bin glücklich in dieser Stadt, die von der Sowjetunion für ihre Zarentreue bestraft wurde. Perm war im Kommunismus abgeriegelt, eine Stadt, die mit dem Blut der politischen Gefangenen aus den Gulags der Umgebung gebaut wurde. Aber hier hat auch die Intelligenz gelebt, die aus den Lagern freikam. So entstand ein Klima für avantgardistische Kultur.“ Den Ruf Perms tragen Currentzis und sein Ensemble auch über die Grenzen Russlands hinaus, durch Tourneen nach Spanien, Deutschland, Österreich oder in die Schweiz – als „ein Opernimperium, von dem die restliche Musikwelt so einiges lernen könnte“ (DIE ZEIT).
Teodor Currentzis, geboren 1972 in Athen, begann 1987 ein Dirigierstudium in seiner Geburtsstadt, bevor er von 1994 bis 1999 das Fach am St. Petersburger Konservatorium bei Ilja Musin weiter studierte. Von 2004 bis 2010 war er Chefdirigent am Staatlichen Akademischen Opern- und Ballettheater in Nowosibirsk, dem größten Opernhaus Sibiriens. Dort gründete er ein Originalklang-Ensemble und einen Chor, aus denen später das MusicAeterna Orchester und der Chor hervorgingen.
Seit 2011 lebt und arbeitet Currentzis in Perm. In diesem Jahr ist das Opernhaus Perm 26 Mal für die Auszeichnung „Goldene Maske“ des russischen Theaterverbandes nominiert – ein Rekord in der Geschichte dieses Preises. Für seine Einspielungen erhielt Currentzis u.a. einen ECHO Klassik sowie zweimal in Folge die Auszeichnung für die „CD des Jahres“ der „Opernwelt“ für seine bisherigen Einspielungen von Mozarts Da Ponte-Zyklus, den er derzeit im Rahmen seines Exklusiv-Vertrags mit Sony Classical komplettiert.
Die Verleihung des KAIROS-Preises an Teodor Currentzis fand am 8. April 2016 im Deutschen Schauspielhaus Hamburg statt. Die Laudatio auf den Preisträger hielt der amerikanische Theaterregisseur Peter Sellars.
- Preisträger 2015 - Eike Roswag
KAIROS-Preisverleihung 2015
Der Architekt Eike Roswag hat sich mit seinem Berliner Büro Ziegert|Roswag|Seiler auf nachhaltiges Bauen spezialisiert. Die Bauprojekte spannen einen weiten Bogen von Wohnhäusern und Gewerbebauten in Deutschland, über Schulen in Asien und Afrika bis zur Denkmalpflege in islamischen Ländern.
Die Entwicklung und Realisierung von Naturbaukonstruktionen aus traditionellen, lokalen Baustoffen wie Lehm, Holz und Bambus stehen im Zentrum seiner Tätigkeit. Einen speziellen Beitrag zum Nachhaltigkeitsdiskurs stellen Niedrigstenergie- und Plusenergiehäuser dar, die aufgrund der klimasteuernden Wirkung von Lehm und Holz auf Lüftungsanlagen verzichten können.
Eike Roswag steht für eine Architektur, die als gemeinschaftliche Arbeit von Gesellschaft und Fachleuten entsteht. Seine Bauten sind keine künstlerischen Solitäre, sondern Ergebnis eines kulturellen Prozesses, der auf Respekt vor zukünftigen Nutzern und örtlich ansässigen Handwerkern beruht. Eike Roswag ist davon überzeugt, dass Architektur immer im Dialog mit den beteiligten Menschen entstehen sollte, da Partizipation und Mitgestaltungsmöglichkeit während der Planung und Umsetzung der Bauten passgenaue, individuelle Lösungen ermöglichen.
Das KAIROS-Preiskuratorium betont, dass Eike Roswag „in einer immer stärker technisierten Gesellschaft und Wirtschaft eine originäre Position einnimmt und einen wichtigen Diskurs darüber anregt, ob nicht auch mit Bescheidenheit und Rückbesinnung auf natürliche Ressourcen eine langlebige, energieeffiziente, für Mensch und Natur gleichermaßen ‚gesunde‘ Architektur geschaffen werden kann.“ Zugleich legt Roswag stets Wert auf Ästhetik und beweist mit seinen Bauten, dass sich architektonische Schönheit und Nachhaltigkeit nicht ausschließen.
Eike Roswag und sein Büro wurden mit dem Aga Khan Award for Architecture 2007, dem Holcim Award in Gold in Asia Pacific 2011 und dem BDA Preis Berlin 2013 ausgezeichnet. Im Herbst 2013 war er Stipendiat der Villa Massimo in Rom, wo er mit diversen Partnern Dialoge zur Arbeitsweise im Architekturkontext führte. Die Projekte des Büros wurden in einer Reihe von Ausstellungen z.B. im Museum of Modern Art in New York gezeigt und vielfach veröffentlicht
Die Verleihung des KAIROS-Preises an Eike Roswag fand am am 22. Februar 2015 im Deutschen Schauspielhaus Hamburg statt.
- Preisträgerin 2014 - Jasmila Zbanic
KAIROS-Preisverleihung 2014
Jasmila Zbanic, geboren 1974 in Sarajevo, erhielt ihre Ausbildung an der Akademie für darstellende Kunst in Sarajevo. 1995 ging sie in die USA und arbeitete als Puppenschauspielerin im Bread and Puppet Theater. 1997 kam sie zurück nach Sarajevo und gründete eine Filmproduktionsfirma.
Auf exemplarische Weise zeigt Jasmila Zbanic, dass von künstlerischen Interventionen entscheidende gesellschaftliche Impulse ausgehen können. Zentral für ihr Werk ist die Auseinandersetzung mit den Kriegstraumata der in Bosnien lebenden Bevölkerung. Sie plädiert für eine furchtlose Aufarbeitung der Verbrechen, aber auch für Aussöhnung, für einen Heilungsprozess. Mit Filmen wie Esmas Geheimnis, der bei der Berlinale 2006 den Goldenen Bären für den Besten Film gewann, beweist Jasmila Zbanic eine eigenständige künstlerische Handschrift; zugleich versteht sie ihre Arbeit als Überlebensstrategie, weil sie den sprachlosen Opfern eine Stimme und eine neue Perspektive gibt. Sie versuche zu zeigen, wie man die Lethargie der Traumatisierung durchbrechen und ein eigenes Leben aufbauen könne, sagt die Regisseurin.
Durch ihren souveränen Umgang mit filmästhetischen Mitteln, ihre überraschenden Bilderfindungen und nicht zuletzt durch ihren oft skurrilen Humor gelingt es ihr, diese Aufbauarbeit als vitale kulturelle Leistung zu definieren, als Beitrag zu einem mentalen Paradigmenwechsel in einem tief verunsicherten Land. Damit greift sie auch unmittelbar in das politische Geschehen ein. An ihrem Film Esmas Geheimnis entzündete sich eine breite Debatte über die Rechte der im Krieg vergewaltigten Bosnierinnen – was dazu führte, dass diese Frauen qua Gesetz als zivile Kriegsopfer anerkannt wurden und Anspruch auf Rentenzahlungen erhielten. Ihr zweiter Spielfilm Zwischen uns das Paradies von 2010 hatte ebenfalls im Wettbewerb der Berlinale Premiere. Daneben war sie bei weiteren renommierten Filmfestivals und bei der documenta vertreten.
Mit Konsequenz und großer Energie verfolgt Jasmila Zbanic das Ziel einer umfassenden Sensibilisierung für verdrängte Themen. Nicht zuletzt ist sie eine geniale Netzwerkerin. Von Anfang an war ihr daran gelegen, die soziale Isolation des Künstlers aufzugeben und stattdessen mit kooperativen Aktionen ein Klima des Aufbruchs und der Erneuerung zu schaffen. Dazu tragen auch die Videoarbeiten, Dokumentarfilme und Theaterproduktionen bei, die in der von ihr gegründeten Künstlervereinigung Deblokada entstehen. Das Kuratorium des KAIROS-Preises möchte der wichtigen Arbeit von Jasmila Zbanic mit der Preisverleihung ein europäisches Forum geben und die Aufmerksamkeit auf eine Region lenken, deren Konflikte angesichts der aktuellen Europadebatte leicht in Vergessenheit geraten.
Die Verleihung des KAIROS-Preises an Jasmila Zbanic fand am 23. Februar 2014 im Deutschen Schauspielhaus Hamburg statt. Die Laudatio hielt Dieter Kosslick.
- Preisträger 2013 - Pawel Althamer
KAIROS-Preisverleihung 2013
Pawel Althamer, 1967 in Warschau geboren, studierte Bildhauerei an der Kunstakademie in Warschau. Ein früher künstlerischer Ausgangspunkt waren Skulpturen, für die er natürliche Materialien wie Gras, Wachs oder Haare verarbeitete, die nach einer gewissen Zeit verrotten und somit auf die Vergänglichkeit der Kunst hinweisen. Seit den 90er Jahren verfolgt Althamer eine besondere Form der partizipatorischen Kunstproduktion. Aus diesen Projekten ergeben sich nicht nur charakteristische Werke, sondern auch einzigartige Erlebnisse für die Beteiligten.
So ließ er 2011 während der Ausstellung „Almech“ in der „Deutsche Guggenheim“ skulpturale Porträts von Besuchern und Ausstellungsführern, Reinigungs- und Wachpersonal, leitenden Bankangestellten und deren Kunden anfertigen und schuf damit ein monumentales, kollektives Selbstporträt. Die Porträtierten entdeckten die Möglichkeit der aktiven Beteiligung und Intervention, sie fanden sich in ihren Skulpturen wieder und verliehen der sonst üblichen Anonymität eines Ausstellungsbesuches ein individuelles Gesicht.
Preisträger Pawel Althamer
In anderen Performances arbeitet Pawel Althamer mit Obdachlosen, Häftlingen oder Schwerkranken, die er aus ihrer isolierten sozialen Rolle herauslöst und zu künstlerischen Mitspielern ermächtigt. So leitet er beispielsweise seit fast zwanzig Jahren die „Nowolipie Gruppe“, einen wöchentlichen Bildhauer-Workshop für an multipler Sklerose erkrankte Patienten. Die künstlerische Strategie der „sozialen Skulptur“ prägt Althamers gesamtes Schaffen. Zur Jahrtausendwende inszenierte er mit seinen Nachbarn im gleichnamigen Wohnblock die kollektive Skulptur „Brodno“. Er mobilisierte 200 Mieter, das Licht nach einem speziellen Plan an- und auszuschalten, so dass um Mitternacht auf der Fassade die Zahl 2000 sichtbar wurde. Diese einfache Idee verknüpfte auf überzeugende Weise Kunst und Leben, denn sie bot nicht nur eine visuelle Botschaft für den Betrachter, sondern stärkte auch die Gemeinschaft der Mieter. 2009 übertrug er die Rolle des Künstlers auf die Schulkinder der Stadt Kassel und überließ ihnen seine Ausstellung im Museum Fridericianum.
„Pawel Althamer beantwortet gesellschaftspolitische Fragen nach Partizipation, Gerechtigkeit und individuellen Handlungsspielräumen mit künstlerischen Strategien, die vertraute Strukturen und Regelsysteme unterlaufen. Wie wir wohnen, wie wir arbeiten, welche Werte uns wichtig sind – all das wird durch seine Installationen, Performances und Aktionen auf überraschende Weise bewusst. Er richtet unsere Aufmerksamkeit auf scheinbar Selbstverständliches oder Verdrängtes und vereint damit ästhetischen Anspruch und soziale Sensibilität in einem unverwechselbaren künstlerischen Schaffen, das Spuren hinterlässt.“, begründet das KAIROS-Kuratorium seine Wahl.
Die Verleihung des KAIROS-Preises an Pawel Althamer fand am 24. Februar 2013 im Deutschen Schauspielhaus Hamburg statt.
- Preisträgerin 2012 - Katell Gélébart
KAIROS-Preisverleihung 2012
Katell Gélébart, 1972 in der Bretagne geboren, wuchs in einer kreativen Familie auf und entdeckte schon als Kind die Welt des Designs: aus Stoffresten und Pappkartons, die sie im Haushalt fand, fertigte sie Kleider für den Teddy und Möbel für die Puppen. Dieses Prinzip der Wiederverwertung prägt bis heute ihr kreatives Schaffen.
Zunächst studierte sie Kunstgeschichte an der Ecole du Louvre, danach machte sie ihren Master in Dänischer Sprache an der Sorbonne. Während des Studiums in Paris engagierte sie sich für verschiedene Umweltorganisationen. Ihren ersten Shop für Recycling- Mode eröffnete sie 1998 in Amsterdam. Den Laden gibt es nicht mehr, aber sein Name wurde zum Programm: ART D’ECO. Unter diesem Label kreiert Katell Gélébart seit mehr als zehn Jahren Kleidung, Taschen, Lampen, Möbel und andere Objekte. Mit beeindruckender Konsequenz nutzt sie ausschließlich Materialien, die bereits vorhanden sind: Verpackungen aus neuseeländischen Haushalten, Seide aus indischen Produktionsüberschüssen, Filz aus sowjetischen Armeebeständen oder alte Leinensäcke der Deutschen Post. Das Konzept der Wiederverwertung haben auch andere Designer für sich entdeckt, aber Katell Gélébart arbeitet schon lange und wegweisend mit dieser Methode.
Preisträgerin Katell Gélébart fertigt eine Lampe aus alten Aluminiumjalousien
Dabei geht es ihr weniger um raffinierte Schnitte oder modische Trends, sondern um den bewussten und schonenden Umgang mit Material. Was andere als Beschränkung empfinden, beflügelt ihre Phantasie. Etwas Neues zu erschaffen, ohne dabei Ressourcen zu verschwenden oder Abfall zu produzieren, ist für sie Herausforderung und Inspiration zugleich. Und am Ende des kreativen Prozesses entsteht dann unerwartet Schönes: ein Regenmantel aus knallbunter Katzenfutterverpackung oder eine elegant geschwungene Lampe aus alten Aluminiumjalousien.
Ihre Arbeit birgt jedoch nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine ethische Dimension. Als moderne Nomadin ist Katell Gélébart weltweit vernetzt und begegnet den Menschen, mit denen sie zusammenarbeitet, stets mit Neugier, Respekt und Empathie. Es ist für sie selbstverständlich, auf lokale Besonderheiten Rücksicht zu nehmen. Der sensible Umgang mit Menschen und ihrer Geschichte schafft ein Klima des Vertrauens und öffnet der Designerin viele Türen. Katell Gélébart vertritt ihre Ansichten überzeugend und leidenschaftlich, will jedoch nicht anprangern oder missionieren. Natürlich ist ihre Arbeit eine Kritik an Konsumwahn, Verschwendung und Oberflächlichkeit, aber darüber hinaus reizt es sie, das ästhetische Potential von Dingen zu erkennen, die andere in den Müll werfen würden. Der KAIROS-Preis würdigt Katell Gélébart deshalb vor allem als kreative Visionärin.
Die Preisverleihung fand am 4. März 2012 im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg statt. Am selben Tag wurde im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg eine Ausstellung mit Designobjekten von Katell Gélébart eröffnet, die bis zum 6. Mai 2012 zu sehen war.
- Preisträgerin 2011 - Shermin Langhoff
KAIROS-Preisverleihung 2011
Die Theatermacherin Shermin Langhoff, 1969 in der Türkei geboren, kam mit neun Jahren nach Deutschland und lebte zunächst in Nürnberg. Als Mitbegründerin der Kulturinitiative Nürnberg gehörte sie zu den ehrenamtlichen Initiatorinnen von Filmtagen und anderen interkulturellen Austauschprojekten. Nach einem Volontariat in der Film- und Fernsehproduktion des NDR in Hamburg arbeitete sie als Aufnahme- und Produktionsleiterin, später als Produzentin und Regieassistentin u. a. mit Fatih Akin bei „Gegen die Wand“ (2003) und „Crossing the Bridge“ (2004) zusammen.
Am Berliner Theater Hebbel am Ufer war sie 2004 mit Matthias Lilienthal Kuratorin des Projekts „X-Wohnungen – Migration“, in dessen Rahmen Fatih Akin zum ersten Mal eine Theaterperformance inszenierte. 2006/2007 kuratierte sie zwei interkulturelle Festivals, die mit Produktionen wie „Schwarze Jungfrauen“ von Feridun Zaimoglu und Günther Senkel auf sich aufmerksam machten.
Seit Herbst 2013 ist Shermin Langhoff Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin. Davor war sie mehrere Jahre als künstlerische Leiterin des Theaters Ballhaus Naunynstraße in Berlin-Kreuzberg tätig. Mit dieser Spielstätte hat sie eine Plattform für Theaterpositionen der zweiten und dritten Migrantengeneration etabliert und fördert Regisseure, Schauspieler und Dramaturgen, die in der deutschen Theaterszene bislang unbekannt sind. Zugleich bietet das postmigrantische Theater auch Raum für neue Erzählungen, Geschichten und Themen – jenseits ethnischer Zuschreibungen und Klischees.
„Selbstbewusst, bestimmt und humorvoll bereichert Shermin Langhoff den Theaterbetrieb mit herausragenden Stücken von Nachwuchsregisseuren, die auf anderen Bühnen (noch) nicht gezeigt werden. Mit Sensibilität und Gespür entdeckt sie junge Talente, die sie nachhaltig fördert und begleitet. Shermin Langhoff wird deshalb nicht nur als Intendantin geehrt, sondern auch als eine Mentorin für Kultur.“ so die Begründung des KAIROS-Preiskuratoriums.
Die Preisverleihung fand am 27. Februar 2011 im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg statt. Die Laudatio hielt Fatih Akin.
- Preisträger 2010 - Andri Snær Magnason
KAIROS-Preisverleihung 2010
Der isländische Autor Andri Snær Magnason wurde 1973 in Reykjavik geboren. Sein Roman „Dreamland“, der in seiner Heimat Rekordverkaufszahlen erreichte, machte Magnason international bekannt.„Dreamland“ ist eine Polemik über die Selbsttäuschung einer Nation: Lange bevor die Finanzkrise Island an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachte, warnte Andri Snær Magnason vor der ungezügelten Variante des Turbo-Kapitalismus und wandte sich gegen den Ausverkauf der Natur Islands an international agierende Aluminiumkonzerne. Mit „Dreamland“ wurde Magnason zum ‚Al Gore Islands’ und setzte sich an die Spitze einer kraftvollen aber unideologischen Umweltbewegung.
„Andri Magnason hat das kontemplative Verhältnis, in dem Dichter seit Jahrhunderten zur Natur stehen, umgedreht und aus dem Besingen und Verinnerlichen der Natur eine aktive, kämpferische Haltung gewonnen. Poesie und planetarisches Engagement, ästhetisches Empfinden und ziviler Widerstand schließen sich bei ihm nicht aus, sondern bedingen einander“ heißt es in der Begründung des KAIROS- Preiskuratoriums.
Die Preisverleihung fand am 28. Februar 2010 im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg statt. Das Rahmenprogramm gestalteten die isländische Sängerin Emiliana Torrini und andere Musiker aus der Heimat des Preisträgers.
- Preisträger 2009 - Sidi Larbi Cherkaoui
KAIROS-Preisverleihung 2009
Der belgisch-marokkanische Choreograph Sidi Larbi Cherkaoui setzt Grundfragen unseres Daseins in faszinierende Tanzperformances um. Sein ungewöhnlicher Werdegang begann mit der Imitation von Musikvideos. Er tanzte HipHop, Jazz und trat als Gogo-Tänzer auf. Mit sechzehn Jahren begann er eine klassische Tanzausbildung und gewann 1995 in Gent den ersten Preis für das beste belgische Nachwuchssolo. Seine erste Choreographie, Anonymous Society, feierte 1999 Erfolge. Es folgten Werke, zu denen als bekannteste Foi, Myth und Apocrifu zählen. Mit den drei Arbeiten Sutra, Babel und Puz/zle avancierte er in kürzester Zeit zum umjubelten Star seines Metiers.
Preisträger Sidi Larbi Cherkaoui "tanzt" seine Rede
„Wortlos aber bildmächtig wirbt die Kunst dieses Choreographen für Empathie, Nachdenklichkeit und Neugier.“ so beschrieb das Kuratorium des KAIROS- Preises die faszinierende Wirkung der Produktionen Cherkaouis.
Die Verleihung des KAIROS-Preises fand am 15. Februar 2009 im Deutschen Schauspielhaus statt. Mit dem Preisgeld verwirklichte Sidi Larbi Cherkaoui einen lang gehegten Traum und baute in Antwerpen seine eigene Tanzkompanie EASTMAN auf.
- Preisträger 2008 - Tímea Junghaus
KAIROS-Preisverleihung
Tímea Junghaus ist Kuratorin und erste Roma- Kunsthistorikerin in Ungarn. Sie erhielt den KAIROS-Preis für ihren großen persönlichen Einsatz, mit dem sie als Kulturaktivistin immer wieder Wege fand und findet, die zeitgenössische bildende Kunst der europäischen Roma jenseits bestehender Klischees zu erschließen. Sie schärft damit zugleich das öffentliche Bewusstsein für den Beitrag der Roma zur kulturellen Vielfalt in Europa.
Tímea Junghaus leitet seit 2005 das Roma Cultural Participation Project beim Open Society Institute in Budapest. Auf der 52. Biennale in Venedig kuratierte sie den ersten transnationalen Roma- Pavillon „Paradise Lost“. Für diesen Pavillon hat sie Werke von sechzehn europäischen Künstlern zusammengestellt, die das gesamte Spektrum der zeitgenössischen Kunst abbilden: Malerei, Videoart, Installation, Skulptur, Grafik. Im Jahre 2013 gründete sie die Gallery8 für zeitgenössische Roma-Kunst in Budapest.
- Preisträger 2007 - Albrecht Dümling
KAIROS-Preisverleihung 2007
Erster KAIROS-Preisträger wurde 2007 der Berliner Musikwissenschaftler Dr. Albrecht Dümling. Er leitet seit 1990 den Verein musica reanimata, der sich für die Wiederentdeckung von Komponisten engagiert, die seinerzeit von den Nationalsozialisten verfolgt wurden und deren Werke verfemt waren.
Geehrt wurde Albrecht Dümling insbesondere für seine Verdienste als Musikwissenschaftler und Musikvermittler bei der Wiederentdeckung im Nationalsozialismus verfolgter Komponisten und ihrer Werke. Als Ausstellungsmacher, Publizist, Berater und langjähriger Vorsitzender des Vereins „musica reanimata“ hat er die Aufmerksamkeit des Konzertbetriebes auf zu unrecht vergessene Künstler gelenkt und ihre Werke der musikalischen Aufführungspraxis zugänglich gemacht. Noch ist die Arbeit des Vereins – Forschung, Archivierung, Konzerte – jedoch längst nicht getan, sie verdient deshalb breite Unterstützung.
Die Preisverleihung fand am 28. Januar 2007 im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg statt.
Kontakt
Uta Gielke Stellvertretende Leitung der Programmabteilung, Programmleitung Kultur
+49 40 33 402 – 14gielke[at]toepfer-stiftung.de